Der Trend hin zur digitalen Kommunikation wird unterstützt durch den technischen Fortschritt und den preislichen Verfall entsprechender Technologien. Durch diesen Rückzug vom Gedruckten verlieren Bevölkerungsschichten dauerhaft den Anschluß an unsere bisherigen Lernsysteme. Mit dem Verlust der entsprechenden Leserschaften verändern sich auch die Geschäftsmodelle für Verlage und Redaktionen. Dies gilt auch für andere Medienkonzerne die wie im Suchmaschinenmarkt eine Stagnation der Marktanteile beobachten. Insbesondere die internetbasierten Videoportale und sozialen Netzwerke erreichen Zielgruppen, die die klassischen Massenmedien zum Teil um ein Mehrfaches übertreffen.
Die teilweise zweistelligen Abonnentenverluste und sinkenden Aktienkurse zwingen auch die Dinosaurier der Medienlandschaften zum Nachvollziehen des Populären - entsprechende Investitionen von deutschen und ausländischen Medienkonzernen in Soziale Netzwerke erscheinen dabei logisch konsequent. Bei den Social Networks handelt es sich um eine Mash up von ischung von aktiver Teilhabe, Gemeinschaften von IT-Freaks und Zeigefreudigkeit. Weltweit verlagern Millionen junger Erwachsener einen Großteil ihrer sozialen Teilhabe in diese virtuellen Gemeinschaften und tauschen darin Nachrichten, Wünsche, und Neigungen, aber auch Musik, Bilder, Videos und Aufmerksamkeit aus.
Analysen des Nutzerverhaltens sagen: Die hauptsächlich benutzten Dienste dienen zur Pflege sozialer Kontakte und zum Aufbau der eigenen Reputation - bei den Inhalten dominieren vor allem unterhaltende Inhalte aus den Bereichen Stars, Musik, und Sport; ergänzt durch die digitalen Versionen der gesellschaftlich geteilten Schadenfreude in der klassischen Form von Pleiten, Pech und Pannen; kompensiert durch mehr oder weniger direkte Formen der Kontaktanbahnung Bei einer Analyse der zur Verfügung gestellten Profildaten fällt auf, dass der Großteil der Teilnehmer sich des entsprechenden Risikos nicht bewußt ist, beziehungsweise dieses falsch einschätzt. Die überwältigende Mehrheit betreibt kein überzeugendes Privacymanagement mit einer Differenzierung von Privatssphäre und Öffentlichkeit. Von der Providerseite wird leider versäumt, darauf durch die Standardeinstellungen zu reagieren.
Generell handelt es sich um einen Strukturwandel der Öffentlichkeit; das gesellschaftliche Verständnis und die Differenzierung von Privatsphäre und Öffentlichkeit wird dabei zunehmend durch eine Scheinöffentlichkeit, ein Versprechen von Teilhabe ersetzt. Verbunden mit einer fröhlichen Entblößung der Spassgesellschaft entstehen darin durchaus legitime Geschäftsmodelle. Flankiert von staatlicher Seite erfolgt im Rahmen der Terrorbekämpfung zum selben Zeitpunkt eine Erosion der Bürgerrechte. Ungeklärt erscheint auch die gesellschaftliche und presserechtliche Einordnung dieser neuen Massenmedien einschließlich ihrer Datensammlungen. Nicht überzeugend ist das Abschieben der Verantwortung auf die anonymen Quellen der nutzergenerierten Inhalte im Zusammenhang mit der kommerziellen Ausbeutung der Beiträge und Inhalte durch die Plattformprovider. Die Mehrheit der Social Networks setzt auf Werbung zur Finanzierung ihrer Plattformen.
Diese einseitige Ausrichtung erweist sich für die Verwertung als Nachteil, da die beworbene Zielgruppe erst am Anfang ihrer Erwerbsexistenz steht, zunehmend werberesistent auftritt und eine erhöhte Klickmüdigkeit aufweist. Gleichzeitig weist die Zielgruppe eine im Vergleich überdurchschnittliche Medienkompetenz im Werbebereich aus; es steht deshalb zu erwarten, dass die dieses Geschäftsmodell in naher Zukunft unter massiven Druck kommen wird, ein Großteil der Werbetreibenden hat die Evolution von Adblockern noch nicht realisiert. Ein Ausweichen auf andere Auslieferungsmethoden führt dabei nur zur Verlagerung des Schlachtfeldes und langfristig zu einer Verschlechterung der Marktposition. Sämtliche Versuche der Plattformbetreiber zur horizontalen Expansion der Werbefläche und Werbemedien haben in den letzten Monaten zu einer deutlichen Erhöhung des organisierten Widerstandes durch die Nutzer geführt. Die teilweise taktisch unglücklich gewählten Methoden der Markteinführung äußern sich möglicherweise noch nicht direkt in einem Sinken der Nutzerzahlen, haben jedoch den Markenwert der Plattformen dauerhaft beschädigt.
Der Druck auf die Betreiber der sozialen Netzwerke erhöht sich von mehreren Seiten, da die relativ teuer erworbenen Plattformen momentan mehrheitlich nicht in der Lage sind, die Erwartungen der Investoren zu erfüllen. Selbst Google bezeichnet die Verwertung des Social Network Inventory als nicht zufriedenstellend. Beachtenswert erscheint auch das Phänomen des sozialen Verfallsdatums der einzelnen Plattformen, welches insbesondere durch die Plattformmigration zu einer Entwertung der Datenbasis und zu einer Zunahme wertloser Datenleichen führen wird. Gemeint ist damit das biographisch bedingte Durchwandern und Verlassen einzelner Plattformen - SchülerVZ ist für Jugendliche sicher faszinierend, spätestens mit der ersten Hochschulvorlesung kommt Facebook, um dann beim Eintritt ins Berufsleben von LinkedIn oder Xing ersetzt zu werden.
Es steht zu erwarten, dass die biografisch früher angesiedelten Plattformen stärker unter dieser Erscheinung leiden werden. Plattformen führen dabei einseitig neue Verwertungsformen ein und verweisen auf die in diversen Menüs versteckten Ab/Einstellmöglichkeiten für die Nutzer, in Wirklichkeit geht es jedoch um eine zielgerichtete Aushöhlung eines Grundpfeilers der informationellen Selbstbestimmung. Dieser Trend steht somit dem klassischen Verständnis des Datenschutzes diametral entgegen und kann sich bei einer erhöhten Sensibilität der Nutzer als Boomerang erweisen. Der Widerspruch zwischen den sich weiterentwickelnden Modellen des Datenschutzes und der informationellen Selbstbestimmung einerseits, und der den durchaus auch berechtigten Vermarktungsansprüchen der profitorientierten Betreiber andererseits, äußert sich auch in weiteren Aspekten. Dazu gehört das bedingungslose Anerkennen der Privatsphäre und Urheberschaft der Nutzer für die von ihnen bereitgestellten Netzwerkinhalte. Viel Fragen bleiben offen und die alte Regel -nicht besonders akademische- Regel lautet: ein Internetjahr sind sieben „normale“ Jahre.
Stay tuned und seit etwas vorsichtiger bei der Preisgabe aller Daten.